Kürzlich durfte ich Lars Amend in meinem Einfach gut leben-Podcast begrüßen. Ein Gesprächspartner, der nicht nur durch seine Bestseller bekannt ist – darunter Dieses bescheuerte Herz oder die Bushido-Biografie –, sondern vor allem durch seine Fähigkeit, komplexe Gefühle in klare, berührende Worte zu fassen. Und genau das hat er in unserem Gespräch auch getan.
Lars hat mit „Coming Home“ ein Buch geschrieben, das nicht nur vom Tod seiner Mutter handelt – sondern von allem, was danach kam. Von innerer Neuordnung, vom Loslassen, vom Verstehen und Vergeben. Es war eines dieser Gespräche, bei dem man nicht einfach eine Stunde plaudert, sondern bei dem sich Raum öffnet für tiefes Fühlen, Erinnern – und Erkenntnis.
Ein Herz, das schön ist, weil es Narben hat
Der Einstieg ins Gespräch war poetisch – und zugleich schmerzhaft schön. Lars erzählte von einem Traum, der ihn seit Jahren begleitet: die Geschichte vom „perfekten Herz“. Ein Herz, das außen makellos scheint, aber kalt ist. Und ein anderes, das voller Risse und Flicken ist – aber voller Leben, Liebe, Schmerz und Erfahrung.
Diese Geschichte ist nicht einfach nur eine Metapher. Es ist ein zentrales Bild seines Buches – und seines Weges. Denn Lars hat gelernt: Nicht das scheinbar perfekte Leben macht uns zu ganzen Menschen. Sondern die gelebten, überstandenen, manchmal auch gebrochenen Geschichten.
Mich hat das sofort berührt. Vielleicht auch, weil ich selbst – genau wie Lars – meine Mutter verloren habe. Schon früh, mit 16. Und weil ich auch diesen Riss im Herzen kenne, von dem Lars spricht. Er sagt: „Der Riss bleibt. Die Wellen der Trauer werden flacher, aber sie verschwinden nie.“
Vom Schweigen der Eltern und den Fragen, die bleiben
Ein zentrales Thema in unserem Gespräch war die Beziehung zu unseren Eltern. Lars sprach sehr offen über seine Mutter – eine Frau, die in Armut aufwuchs, in einem Vertriebenenlager geboren wurde, sich in einer fremden Welt behaupten musste. Sie war erfolgreich, unabhängig, klug – aber emotional oft unerreichbar.
Lars erzählte, dass seine Mutter nie über Gefühle sprach. Dass sie, selbst auf der Palliativstation, nicht bereit war, die Mauer fallen zu lassen. Und wie sehr er sich Antworten gewünscht hätte: auf die Frage, warum sie damals die Familie verließ. Warum sie emotional so distanziert war. Und ob sie ihn, ihren Sohn, trotz allem liebte.
Er sagte etwas, das mich sehr bewegt hat: „Menschen sterben, wie sie gelebt haben.“ Und so hat auch seine Mutter bis zum Ende verdrängt, geschwiegen, nichts sortiert. Und Lars musste akzeptieren: Sie konnte nicht anders. Nicht, weil sie nicht wollte – sondern, weil sie es nie gelernt hatte.
Das Gespräch war gespickt mit diesen Sätzen, die sich ins Herz einbrennen. Einer davon: „Selbst wenn sie wollte, sie konnte nicht. Es wäre, als würde man einen Hund auffordern, zu zwitschern wie ein Vogel.“
Biografiearbeit: Der Schlüssel zur Vergebung
Was Lars geholfen hat, war das bewusste Zurückgehen. Er hat sich gefragt: Wer war meine Mutter wirklich? Welche Erfahrungen haben sie geprägt? Was hat sie zu der Frau gemacht, die sie war? Und plötzlich ergab vieles Sinn: Die emotionale Kälte, die Fixierung auf Arbeit, das Vermeiden von Nähe.
Seine Mutter hatte nie selbst elterliche Wärme erfahren. Sie war immer die Außenseiterin. Sie musste früh Verantwortung übernehmen, war Mutterersatz für ihre Geschwister, war nicht willkommen – nicht in ihrer Nachbarschaft, nicht in ihrer Schule. Ihre Glaubenssätze lauteten: Liebe gibt es nicht umsonst. Nichts ist leicht. Alles muss erkämpft werden.
Diese Erkenntnisse führten Lars zu einem neuen Blick auf seine Mutter – und zu dem vielleicht wichtigsten Schritt: Vergebung. Nicht aus Enttäuschung, sondern aus Verständnis.
So begann seine eigene Heilung.
Glaubenssätze erkennen – und durchbrechen
Was mich besonders beeindruckt hat: Lars hat nicht nur das Verhalten seiner Mutter reflektiert, sondern auch die Auswirkungen auf sein eigenes Leben erkannt. Er sprach von unterbewussten Glaubenssätzen, die er als Kind entwickelte – zum Beispiel: Geld ist etwas Schlechtes. Geld zerstört Familie.
Denn als Kind nahm er nur wahr: Mama geht, um zu arbeiten. Arbeit bedeutet Geld. Geld bedeutet Verlust. Später, als Erwachsener, konnte er dieses Muster entlarven – und heilen. Und damit auch beginnen, seine eigene Familie anders zu leben.
Lars sagte: „Ich habe gelernt, nicht zu leben, wie meine Mutter – aber ich habe auch verstanden, was ich von ihr mitbekommen habe. Zum Beispiel die Liebe zur Freiheit, zur Selbstverwirklichung, zur Arbeit.“
Ein ehrlicher Blick auf sich selbst – aber eben auch ein mutiger. Und das macht seine Geschichte so wertvoll.
Drei Fragen, die alles verändern können
Am Ende unseres Gesprächs kamen wir zu drei Fragen, die Lars für sich entwickelt hat – und die er jedem von uns empfiehlt:
- Woran arbeite ich heute – und warum?
- Mit wem verbringe ich meine Zeit – und warum?
- Wie gut behandle ich meinen Körper – und warum?
Es sind einfache Fragen. Und doch sind sie ein Kompass für ein bewussteres Leben. Ich habe mir diese Fragen sofort notiert. Und werde sie – wie Lars – regelmäßig stellen.
„Sprich, solange du noch kannst“
Vielleicht der wichtigste Appell von Lars war dieser: Sprich mit deinen Eltern, solange du noch kannst. Stell deine Fragen – auch wenn du keine Antworten bekommst. Sag, was dir auf dem Herzen liegt. Nicht für sie. Sondern für dich.
Denn sonst bleiben diese Fragezeichen, diese Leerstellen, für immer in deinem Leben.
Ich fand das sehr kraftvoll. Vor allem, weil es so versöhnlich klang. Ohne Vorwürfe. Ohne Anklage. Sondern mit dem tiefen Wunsch, Frieden zu finden – mit sich selbst und der eigenen Geschichte.
Ein Gespräch, das bleibt
Für mich war das Gespräch mit Lars Amend mehr als nur ein Interview. Es war eine Begegnung auf Augenhöhe – zwischen zwei Menschen, die ähnliche Verluste erlebt haben, aber unterschiedliche Wege gegangen sind. Und es war ein Gespräch, das bleibt. Im Herzen. Und im Kopf.
Ich danke Lars für seine Offenheit, seine Worte, seine Verletzlichkeit. Und ich wünsche jedem, der diesen Beitrag liest oder die Podcastfolge hört, dass er etwas mitnimmt – vielleicht Mut, vielleicht Trost, vielleicht einfach die Erkenntnis: Ein schönes Herz ist kein perfektes Herz. Sondern eines mit allen Narben und Macken des Lebens.
Über Lars Amend:
Lars Amend ist Bestsellerautor, Speaker und Life Coach. Bekannt wurde er unter anderem durch das Buch Dieses bescheuerte Herz, das später erfolgreich verfilmt wurde. In seinen Werken verbindet er persönliche Erfahrungen mit inspirierenden Impulsen für ein bewussteres Leben. Sein neues Buch Coming Home ist ein ehrlicher Blick auf Herkunft, Heilung und die Kunst der Versöhnung. Mehr über Lars und seine Projekte findest du auf www.lars-amend.de.
🎧 Jetzt reinhören:
Das Gespräch mit Lars Amend im Einfach gut leben-Podcast ist voller ehrlicher Einblicke, berührender Geschichten und kraftvoller Impulse für dein eigenes Leben. Wenn du dich mit Themen wie Herkunft, Heilung und Selbstreflexion beschäftigst – oder einfach ein echtes, bewegendes Gespräch erleben willst – dann hör unbedingt rein.
👉 Jetzt in deiner Lieblings-Podcast-App: Auf Spotify • Apple Podcast • Amazon Music • Deezer