Was bedeutet es eigentlich, im Moment zu leben?
Was heißt es, sich selbst und die Welt wirklich zu erfahren – ohne Ablenkung, ohne Bewertung, ohne Ziel?
In dieser Folge des Podcasts Einfach gut leben spreche ich mit Muho, einem deutschen Zen-Meister, der seit über drei Jahrzehnten in Japan lebt.
Das Ergebnis ist ein inspirierendes Gespräch über die großen Themen des Lebens:
Gedanken, Glück, Vergleichen, Ego – und über das Hier und Jetzt.
Der Weg zum Zen – eine Reise, die mit Skepsis begann
Muho, geboren in Deutschland, kam als Jugendlicher erstmals mit Meditation in Kontakt.
In einem Internat in Braunschweig gründete ein Pädagoge einen Zen-Kreis – eine Einladung, die der junge Muho zunächst mit Skepsis ablehnte.
Meditation? Damals in den 80ern noch stark mit Sektenverdacht behaftet, erschien ihm das mehr als fragwürdig.
Doch wie es oft der Fall ist, öffnet sich manchmal eine Tür, wenn man es am wenigsten erwartet.
Ein einziger Besuch dieser Meditationsrunde reichte aus, um Muho – damals noch Olaf – nachhaltig zu beeindrucken.
Zum ersten Mal spürte er bewusst seinen Atem, hörte die Geräusche vor dem Fenster, nahm seinen Körper wahr.
Eine neue Welt öffnete sich – eine, die er seither neugierig erkundet.
Nach einem Studium der Japanologie, einem ersten Aufenthalt in Japan und der Ordination zum Zen-Mönch lebt Muho heute mit seiner Familie in Osaka und teilt seine Erfahrungen über Bücher, Vorträge und tägliche YouTube-Impulse – seine sogenannten „Zen-Häppchen“.
Leben ist Leiden – aber nicht so, wie man denkt
Ein zentraler Punkt des Gesprächs ist der berühmte buddhistische Satz „Leben ist Leiden“.
Viele interpretieren diesen Satz als düstere Grundhaltung des Buddhismus – doch Muho erklärt, dass es sich dabei um ein Missverständnis handelt.
Das ursprüngliche Wort „Dukkha“ lässt sich besser mit „Unzufriedenheit“ oder „Holperigkeit“ übersetzen – wie das Gefühl, in einem Wagen mit einer eiernden Radachse zu fahren.
Man kommt voran, ja, aber es ist nie ganz rund. Genau dieses Gefühl beschreibt die menschliche Erfahrung: Es fehlt scheinbar immer ein kleines bisschen.
Das Leben ist gut – aber vielleicht könnte es ja noch besser sein.
Diese feine, aber permanente Unzufriedenheit ist aus buddhistischer Sicht der Ursprung vieler innerer Konflikte – und der Schlüssel liegt darin, diesen Zustand zu erkennen, nicht zu verdrängen.
Gedanken – die große Verwechslung
Einer der prägnantesten Gedanken, die Muho teilt, lautet: „Alles, was du denkst, sind nur Gedanken.“
Was zunächst banal klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als tiefgreifende Einsicht.
Das eigentliche Problem ist nicht das Denken selbst – sondern die Tatsache, dass Menschen ihre Gedanken oft für Realität halten.
Dabei seien Gedanken lediglich Interpretationen, Bewertungen, Konstruktionen – vergleichbar mit einer Landkarte.
Die eigentliche Welt, die sinnliche Erfahrung, sei hingegen die Landschaft. Wer nur auf die Karte blickt, verliert den Kontakt zur lebendigen Realität.
Zen lädt dazu ein, in die Landschaft zurückzukehren. Und das beginnt mit einer einfachen Frage: Was ist jetzt gerade wirklich da – ohne Interpretation?
Das Leben als Spiel – und warum es nicht ums Gewinnen geht
Eine der stärksten Metaphern, die Muho im Gespräch verwendet, ist die vom Leben als Spiel.
Viele Menschen, so sagt er, spielen das Spiel des Lebens, um Punkte zu sammeln: Erfolg, Status, Anerkennung, Selbstoptimierung. Aber am Ende – im Tod – kann niemand die Punkte mitnehmen.
Zen hingegen bedeutet, eine Pause vom Spiel zu machen. Einen Schritt zurückzutreten, sich zu fragen, warum man eigentlich spielt. Und dann, wenn man zurückkehrt, das Spiel nicht mehr verbissen, sondern freudvoll zu spielen – um des Spielens willen.
Diese Haltung erinnert an die spielerische Leichtigkeit von Kindern.
Sie bauen etwas auf, nicht weil es „fertig“ werden muss, sondern weil sie Freude am Tun haben.
Für Muho ist genau das ein Symbol für gelebtes Zen: den Moment als solchen wertzuschätzen, ohne permanent auf ein Ziel hinzuarbeiten.
Vergleiche – mit anderen und mit sich selbst
Ein weiteres zentrales Thema ist der ständige Vergleich – mit anderen und mit dem eigenen „früheren Ich“.
In der Coaching- und Selbsthilfe-Szene wird oft geraten, sich nur mit sich selbst zu vergleichen. Doch Muho hält auch das für eine Falle.
Vergleich ist immer ein Ausdruck von Mangel.
Ob man sich fragt, ob man erfolgreicher, attraktiver oder gelassener ist – es bleibt ein Rückgriff auf ein anderes Bild, einen anderen Zustand.
Das Problem: Dieser Vergleich führt selten zu Zufriedenheit. Im Gegenteil – er zementiert das Gefühl, „nicht genug“ zu sein.
Zen hingegen lädt dazu ein, sich nicht mit dem Wie des Seins zu beschäftigen – also wie man ist, wie man sein sollte, wie man im Vergleich dasteht – sondern mit dem Dass: Ich bin. Punkt.
Das Ego – Werkzeug oder Herrscher?
Auch das Thema Ego kommt zur Sprache. Im Zen (wie auch in vielen spirituellen Strömungen) gilt das Ego oft als Wurzel vieler Probleme.
Doch Muho warnt davor, das Ego zu verteufeln. Es sei notwendig, um in der Gesellschaft zu funktionieren. Es werde nur dann zum Problem, wenn man glaubt, es sei alles – und wenn man sich unreflektiert von den eigenen Gedanken und Vorstellungen beherrschen lässt.
Nicht das Ego sei der Feind – sondern das blinde Festhalten an der Vorstellung, man sei nur das Ego.
Hier und Jetzt – eine Praxis, kein Konzept
Zum Abschluss geht es – wie könnte es anders sein – um das Hier und Jetzt. Für viele klingt das wie eine abgedroschene Floskel.
Gerade beim Meditieren zeigt sich, wie schwer es tatsächlich ist, präsent zu bleiben. Kaum sitzt man still, schon ist man gedanklich beim Einkauf, beim Gespräch von gestern oder bei der nächsten Mail.
Zen zeigt: Es gibt nur diesen einen Moment – und darin steckt alles, was zählt. Muho beschreibt das Hier und Jetzt als Raum jenseits des Vergleichs, jenseits der Bewertung.
Ein Ort, an dem kein Gestern mehr existiert und kein Morgen geplant werden muss.
Und dieser Ort ist immer verfügbar – wenn man bereit ist, wirklich hinzusehen.
Fazit: Zen ist keine Technik – es ist eine Haltung
Das Gespräch zwischen Muho ist keine theoretische Abhandlung über Zen, sondern eine lebendige Einladung zum Umdenken – oder besser: Zum Nicht-Denken.
Es zeigt, dass es nicht darum geht, sich „zu verbessern“, sondern darum, wieder wahrzunehmen, was längst da ist.
Zen bedeutet nicht, sich zurückzuziehen oder aufzugeben.
Es bedeutet, bewusst zu leben. Und vielleicht auch, das Leben wieder als Spiel zu begreifen. Nicht als Wettbewerb – sondern als Tanz.
Oder, wie Muho es selbst sagt:
„Es kommt nicht darauf an, wie du bist. Sondern dass du bist.“
🎧 Jetzt reinhören:
Das Gespräch mit Muho im Einfach gut leben-Podcast ist eine Einladung zum Innehalten. Es bietet ehrliche Einblicke in die Zen-Praxis, berührt mit persönlichen Geschichten und inspiriert mit klaren Gedanken über Glück, Gedanken und das Hier und Jetzt. Wenn du dich mit Achtsamkeit, Selbstwahrnehmung und dem Wunsch nach mehr innerer Ruhe beschäftigst – oder einfach ein echtes, tiefgehendes Gespräch hören möchtest – dann solltest du diese Folge nicht verpassen.
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